Aktuelle Lehre SoSe 2025
Proseminar
Von Hermaphroditen, frommen Betrügern und Rebellen. Doing Identity am englischen Königshof im Mittelalter
Dozierende | Maria-Elena Kammerlander |
Uhrzeit | Mo 13.00 - 16:00 Uhr; 28.04.25 - 21.07.25 |
Ort/Raum | Kollegiengebäude IV/ HS 4429 |
Veranstaltungsnummer | 06LE11S-20251 |
Kommentar |
Die mittelalterlichen Königshöfe waren für viele Intellektuelle mit ihren Intrigen, Mauscheleien und Lastern ein gefährliches Umfeld. Oft unfreiwillig verstrickten sie sich in konspirative Machenschaften und liefen Gefahr, ihre politische Integrität zu verlieren, die sie als politische Berater, Beichtväter oder Amtsinhaber dringend wahren mussten, wollten sie ihre Machtpositionen nicht verlieren. In welche persönlichen Selbstzweifel ein solches Umfeld stürzen konnte, bezeugen die uns überlieferten Texte von Johannes von Salisbury. Johannes musste sich der Anklage des Hochverrats erwehren, ging ins französische Exil und kämpfte an einer intellektuellen Front für seine gesellschaftlichen Ideale. Seine Lebenskurve verläuft parallel zu den Großereignissen seiner Zeit und spiegelt damit wichtige Umbruchsmomente der westeuropäischen Geschichte des 12. Jahrhunderts. Er erlebte Naturkatastrophen, Zeiten der Anarchie und Bürgerkriege und verarbeitete seine Erfahrungen wie beispielsweise den politischen Mord an seinem Freund Thomas Beckett in vielen Werken, von denen der sogenannte Policraticus eine Leserschaft über das englische Königreich hinaus erreichte. ![]() 2. Hs.: Paris, © Bibliothèque Nationale, Ms. Français 24287, fol. 2r Wer waren die Hermaphroditen, frommen Betrüger und Rebellen? Für was hatten sie sich zu verantworten? Und nahmen sie diese Fremdzuschreibungen kampflos an? Hingegen veralteter Vorstellungen war die gesellschaftliche Position und der Status von Menschen in den mittelalterlichen Jahrhunderten keinesfalls von Geburt an festgelegt. Damals wie heute „besitzen“ Menschen keine Identität, sondern bilden sie im Laufe ihres Lebens aus. Um die epocheneigenen Formen von Identitätsangeboten und -nachfragen zu ergründen, und wie die Zeitgenossen von Johannes mit seiner von Identitätszuschreibungen strotzender Kritik umgegangen sind, erlernen wir wichtige Techniken des mediävistischen Arbeitens, damit wir uns die Argumentation und die Lesarten des Policraticus erschließen können. Dabei werden wir zentrale Merkmale einer Epoche kennenlernen, die immer wieder zu überraschen vermag und deren Kennzeichen sich in einem epocheneigenen Doing Identity ablesen lassen. Hinweis: Ich freue mich über Ihre Bereitschaft englisch- und französischsprachige Literatur zu lesen, wobei weder Französisch noch Latein sprachliche Voraussetzung für die Teilnahme sind. Wir besprechen das gemeinsam im Meet and Greet am 28. April 2025. |
Zu erbringende Prüfungsleistung |
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Zu erbringende Studienleistung |
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Einführende Literatur | Christoph Grellard/Frédérique Lachaud: Introduction, in: A Companion to John of Salisbury, hrsg. v. Dens. (Brill's Companions to the Christian Tradition Bd. 57) Leiden/Boston 2014, S. 1‒28. |